Entstehung der schwäbischen Sprache

Wia isch s Schwäbische z sdand komma?



Die schwäbische Sprache gehört zu den germanischen Sprachen, wie auch Hochdeutsch, Plattdeutsch, Englisch, Niederländisch, Dänisch, Schwedisch, Norwegisch und einige kleinere Sprachen.

Die Entstehung dieser Sprachen kann man sich vorstellen wie in einem Stammbaum: Aus dem gemeinsamen  germanischen Stamm gehen Äste und Zweige hervor. Der gemeinsame Stamm "Altgermanisch" wird etwa für die Zeit von 1000 v. Chr. bis um das Jahr 0 v. Chr. angesetzt.

Gegen Ende dieser Zeit trennte sich der Stamm in drei Äste auf: Nordgermanisch, Westgermanisch und Ostgermanisch. Der ostgermanische Ast ging mit den Ostgoten vollständig unter. Aus dem nordgermanischen Ast entwickelten sich die skandinavischen Sprachen. Aus dem westgermanischen Ast entwickelten sich die so genannten kontinentalgermanischen Sprachen, zu denen man neben Deutsch, Niederländisch und Friesisch auch Englisch zählt. Vor der Verfestigung zu einzelnen Staatssprachen gab es in allen germanischen Sprachgebieten viele interne Variationen.

Auf dem Gebiet des heutigen Deutschen und Niederländischen entwickelten sich von Nord nach Süd drei Sprachgruppen: Niederdeutsch, Mitteldeutsch und Oberdeutsch. (Näheres Zum Verhältnis Oberdeutsch-Schwäbisch siehe hier.)

Schwäbisch ist eine Nachfolgesprache des Oberdeutschen. Es entwickelte sich unabhängig vom heutigen Hochdeutschen und zeitlich bereits vor ihm. Schwäbisch lässt sich im Blick auf Wortschatz und Grammatik sehr gut beschreiben. Analog zum Hochdeutschen wird es nachfolgend als Hochschwäbisch bezeichnet.



Die Entstehung des Hochschwäbischen:


1.   Die altoberdeutsche Zeit (ca. 750 bis 1050 n. Chr.)

In altoberdeutscher Zeit bestand zunächst eine gemeinsame Sprachform für den gesamten süddeutschen Sprachraum (in etwa Baden-Württemberg, Bayern, das Elsass, Österreich, Südtirol und die Deutschschweiz). Es war das so genannte Altoberdeutsch.

Etwa um das Jahr 1000 n. Chr. brach diese, vom Elsass bis hinüber nach Wien entfernungsmäßig weit ausgestreckte Sprache, auseinander. Dies geschah entlang des Flusses Lech. Das Oberdeutsche teilte sich auf in Ostoberdeutsch (heute Bairisch-Österreichisch) und in ein Westoberdeutsch (heute Schwäbisch-Alemannisch).

Dennoch blieben und bleiben viele Merkmale dieses Sprachraums bis heute als gemeinsam erhalten. So geschieht zum Beispiel die Bildung des Partizips Perfekt bei vielen Verben im oberdeutschen Sprachraum gemeinsam weiterhin ohne die Vorsilbe „ge“ (z. B. pfiffa statt gepfiffen, "kaoft" statt gekauft usw.). Auch die Bildung des Konjunktivs geschieht weiterhin gemeinsam mit "täte" statt würde. Diese und viele weitere sprachliche Erscheinungen sind keine speziell schwäbischen Merkmale, sondern bleiben gesamtoberdeutsche Merkmale.


2.   Die mitteloberdeutsche Zeit (ca. 1050 bis 1350 n. Chr.)

Das zunächst noch einheitliche Westoberdeutsch (vielfach fälschlich vorweggenommen schon "Alemannisch" genannt) wurde durch den Einfluss der so genannten mittelhochdeutschen Lautverschiebung seinerseits ebenfalls aufgeteilt. Der heutige schwäbische Bereich übernahm diese Lautverschiebung in seiner speziell schwäbisch modifizierten Form. Der heutige alemannische Bereich dagegen übernahm sie nicht. Bereits um 1350 n. Chr. ist diese bis heute bestehende Auftrennung in Alemannisch und Schwäbisch nachweisbar. Am Ende dieser Zeit haben sich die schwäbische und die alemannische Sprache als zwar verwandte, aber unterschiedliche Nachfolgesprachen des Westoberdeutschen etabliert.

Ab nun spricht man im schwäbischen Raum statt dem langen i ein "ei": Zeit, schreiben, leiden usw. (hochdeutsch wird hier "ai" gesprochen!). Statt langem "u" spricht man "ou": So in Haus, Mauer, laut, ausdauern usw. (hochdeutsch wird hier "ao" gesprochen!). Statt hellem langem a spricht man ein dunkles langes a: „Sbråch“ Sprache, „råda“ raten, „Måesdor“ Meister und „i wåes“ ich weiß usw. Die Lautfolge ""iu" ist umgestellt zu "ui": „Gnui“ Knie, von „dui“ diese und „sui“ sie usw. Man spricht weiterhin „e“ statt „ö“: „schee“ schön uam. Die Diphthonge werden beibehalten: „ia“ statt „ü“: „Fias“ statt Füße, "miasa" statt müssen usw. (das Hochdeutsche dagegen hat die althochdeutschen Diphthonge monophthongiert.).

In der Konjugation der Verben entsteht der sogenannten Einheitsplural „mir/ir/se dend“ wir/ihr/sie tun/tut/tun, „mir/ir/se schreibed“ wir/ihr/sie schreiben/schreibt/schreiben usw.

Hinweis: In der Zeit von etwa 950 bis etwa 1250 n. Chr. (die genauen zeitlichen Grenzen werden in unterschiedlicher Literatur unterschiedlich bestimmt) existierte im Südwesten des deutschen Sprachgebiets das Herzogtum Schwaben. Der sprachliche Bereich des Südwestoberdeutschen und der politische Umfang des Herzogtums waren damals ungefähr deckungsgleich. Prägend für das Herzogtum Schwaben war das Herrschergeschlecht der Staufer.



3.   Die Zeit des Hochschwäbischen (ca. 1350 bis 1950 n. Chr.)

Das Hochschwäbische bleibt eine über ca. 600 Jahre hinweg weitgehend gleich gesprochene Volkssprache. Eine verbindliche Schriftform etabliert sich allerdings nicht, da der schwäbische Sprachraum noch Jahrhunderte lang politisch stark zersplittert blieb und deshalb ein politisches Zentrum fehlte, das das Schwäbische zur Schriftsprache hätte führen können.



Zusammenfassung

- Das Schwäbische ist eine der drei Nachfolgesprachen des Mitteloberdeutschen.
- Es ist seit 1350 im Wesentlichen gleichgeblieben.
- Es ist zeitlich vor dem heutigen Neuhochdeutschen entstanden und kein degeneriertes Hochdeutsch, sondern eine eigenständige Sprache.
- Es ist eine Volkssprache von unten her. Ihm fehlt die staatliche Anerkennung als Sprache.



4.   Die Zerstörung des Hochschwäbischen (ab 1950 n. Chr.)

Das schriftlich fixierte und staatlich monopolisierte Neuhochdeutsch zerstört seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs das Hochschwäbische und darüber hinaus auch alle anderen Volkssprachen innerhalb Deutschlands. Diese Zerstörung wird pädagogisch gezielt durchgeführt. Die mediale Dauerberieselung mit hochdeutschen Normklängen, die schon im Kinderzimmer beginnt, tut ein Übriges dazu.

Lediglich in der Verfassung des Freistaates Bayern findet sich eine Bestimmung, dass nicht diskriminiert werden darf, wer Bairisch spricht. Anders auch die Situation in der Schweiz: Die Schweizer halten bewusst an ihrem alemannischen Schwyzerdytsch fest. Es dient ihnen zur selbstbewussten Abgrenzung gegenüber dem großen deutschen Nachbarn im Norden.  

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